§ 3 des UWG enthält das Selbstverständlichkeitsverbot. Das bezieht sich aber insbesondere auf Produkte, genauer: Produktkommunikation, wonach es eben Unternehmen nicht gestattet ist, mit Selbstverständlichkeiten zu werden.
So dürfte …
- … ein Kühlschrankhersteller NICHT werben mit der Aussage „FCKW-frei“.
- … ein Goldmünzenverkäufer NICHT werben mit der Aussage „echte Krügerrands“.
- … ein Babynahrungshersteller NICHT werben mit der Aussage „ohne Glassplitter“.
Das ist nämlich alles gesetzlich geregelt. Daher gilt es als Irreführung, weil dadurch der Eindruck erweckt wird, es handle sich um ein Alleinstellungsmerkmal.
In diesem Sinne sollten meines Erachtens noch viel mehr Aussagen unter dieses Selbstverständlichkeitsverbot fallen (müssen), weil sie eben maximal redundant sind, zumindest überflüssig, sprich: Selbstverständlichkeiten sein sollten, wie z. B..:
- „Der Kunde steht im Mittelpunkt.“
- „Unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter stehen im Mittelpunkt.“
- „Wir setzen uns für Gleichberechtigung ein.“
- „Bei uns spielen Geschlecht, Religion, Herkunft, Hautfarbe keine Rolle.“
- „Wir bekennen uns zu den Grundwerten unserer Demokratie.“
- „Faire Bezahlung.“
- „Sie können sich auf uns verlassen.“
- „Darauf können Sie sich verlassen.“
- „Wir halten unser(e) Versprechen.“
- „… mit dem gewissen Etwas.“
- „Aus besten Zutaten.“
- „… qualitativ hochwertig …” (s. u.)
- „Macht sauber.“ (bei Reinigungsmittel)
- „Schmeckt gut!“ (bei Nahrungs- und Genussmittel)
u. v. a. m.
All diese Formulierungen nutzen natürlich den aus Horoskopen bekannten Barnum-Effekt, also die Tendenz eines Individuums, eine Verallgemeinerung so aufzufassen, als ob sie nur für einen selbst bestimmt ist, mit dem Bedürfnis des Menschen nach Bestätigung bzw. Befriedigung individueller Werte bzw. Wünsche („Affirmation“).
Das mag zwischen Menschen, z. B. beim Dating toll und zielführend sein, dass A und B die Vorliebe teilt, „mit guten Freunden bei gutem Essen und gutem Wein gute Gespräche“ zu führen, dass man „gerne reist“, „gerne unterwegs ist, aber auch mal einen entspannten Abend auf dem Sofa verbringt, um einen guten Film“ zu sehen oder „ein gutes Buch“ zu lesen, aber spätestens zwischen Marken und Menschen sind das (zwar keine gesetzlichen Vorgaben, sodass §3 UWG greift, aber doch) hochbanale Selbstverständlichkeiten.
Am besten macht man den Gegenteilsschnelltest: Ergäbe die Aussagen auch dann noch werblichen Sinn, wenn man das Gegenteil sagte, dann ist die Aussage schon mal nicht ganz doof, z. B. „… für die Frau von heute”, schließlich gibt es auch „Männer von heute” oder auch Frauen (wie Männer), die das Moderne nicht mögen.
Aber wer mag schon schlechte Gespräche mit irgendwelchen Dahergelaufenen bei Hundefutter und Plörre oder einen stressigen Abend vor der Glotze, in der nur Mist läuft, bzw. einem öden Wälzer?
Man sollte sich schon ernsthaft fragen, ob man mit generischen Aussagen wirklich Aufmerksamkeit und noch wichtiger: eine neue, treue Kundschaft generiert.
Zudem sind emotionale/emotionalisierende Aussagen wie
- „Spüren Sie den Unterschied.“
- „Fühlen Sie sich wie …“
- „Verbessern Sie Ihre …“
ebenfalls sehr grenzwertig. Einerseits, denn, obwohl diese und viele weitere Aussagen dergestalt im Imperativ („Befehlsform“) formuliert sind, erwecken sie den Eindruck eines (nicht einhalt- und damit auch nicht einklagbaren) Versprechens, da ja meist ein absoluter Referenzwert sowie eine unmittelbare kausale Beziehung zwischen dem Produktversprechen und dem Ergebnis fehlt.
Andererseits sollte/braucht man es mit dem Schutz des „billig und gerecht denkenden Menschen“ auch nicht übertreiben, denn erstens macht es ihn auf Dauer unmündig, zweitens ist affirmative Kommunikation ja auch ganz sinnvoll (vgl. Dating) und last but not least werden die Kundinnen und Kunden es schon selbst merken und daraus dann ihre Schlüsse ziehen („Was ‘n Dreck!“, „Super Sache.“).
Aber passiert ja immer, wenn Wahrnehmung Wirklichkeit wird – wie irgendwann in allen Beziehungen und noch schneller beim Dating.
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